Die Gemeinde Pietrowice Wielkie (Groß-Peterwitz) liegt 11 km westlich von Ratibor
im äußersten Südwesten Polens am nördlichen Ausgang der Mährischen Pforte zwischen
den Sudeten und Beskiden. Sie hat rund 7200 Einwohner und nimmt über 68
Quadratkilometer ein. Ihre heutige Größe kam 1973 durch die Vereinigung von 11
Ortschaften zustande, die davor selbständige Dörfer mit teilweise sehr langer
eigener Geschichte waren. Die Eigenständigkeit lebt zum Teil heute noch in der
Pflege lokaler Traditionen, etwa in acht örtlich und zeitlich getrennten Feiern
des Erntedankfestes.
Das Gemeindeleben ist überwiegend landwirtschaftlich geprägt. Über 60% der
berufstätigen Einwohner arbeiten in der Landwirtschaft. Auf den sehr fruchtbaren
Böden werden vor allem Weizen, aber auch andere Getreidearten, Raps und
Zuckerrüben geerntet. Der früher verbreitete Tabakanbau spielt heute keine Rolle
mehr. Weitere Erwerbszweige sind Milchwirtschaft, Schweinemast und Imkerei.
Erwähnenswert ist das Pferdegestüt im Ortsteil Kornice. Neben den bestehenden
traditionellen Handwerksbetrieben, und teilweise aus diesen hervorgegangen, haben
sich in neuerer Zeit einige erfolgreiche Unternehmen entwickelt, deren
Geschäftsbeziehungen inzwischen auch ins Ausland reichen.
Bemerkenswert ist das Bemühen der Gemeinde, Naturschutz, Umweltbewusstsein und
Interesse für den technischen Fortschritt zu verbinden. So sind die Peterwitzer
einerseits stolz auf ihre Störche – eines von mehreren Paaren brütet alljährlich
auf einem alten Schornstein direkt vor dem Rathaus – andererseits veranstalteten
sie 2010 schon die zehnte „Öko-Ausstellung“. Dabei handelt es sich eigentlich um
eine kleine Messe für neue Geräte und Techniken mit ökologischen Bezügen. Die
Messe ist eine Erfolgsgeschichte. 2010 beteiligten sich über 160 Firmen aus Polen
und Tschechien. Die nur zwei Tage dauernde Veranstaltung lockte rund 50.000
Besucher an. Das kleine „Dorf“ am Rande der Republik hat mit dieser erfolgreichen
Idee so manche Großstadt in den Schatten gestellt.
Beachtlich sind auch die schulische Versorgung und das Bildungsangebot der
Gemeinde. Es existieren ein Gymnasium, vier Grundschulen und vier Kindergärten,
von denen drei den Grundschulen angeschlossen sind. Mehrere Bibliotheken,
Gemeinschaftsräume und ein Informationszentrum, in dem man z.B. das Internet
kostenlos benutzen kann, stehen der Bevölkerung zur Verfügung. Die neue Sporthalle
mit ihren Nebenräumen, die erst 2006 unter Teilnahme von Liederbacher Gästen
eingeweiht wurde, beflügelte das gesellschaftliche Leben über alle Erwartungen.
Sie ist inzwischen für sportliche und kulturelle Aktivitäten fast ständig
ausgebucht, so dass schon über einen weiteren Bau nachgedacht wird.
Von den historischen Baudenkmälern in der Gemeinde muss wenigstens die 1667
errichtete Kreuzkirche erwähnt werden. Sie ist die einzige erhaltene
Schrotholzkirche im Ratiborer Land. Solche ganz aus Holz gebauten Kirchen waren
einst für Oberschlesien typisch. Das idyllisch in einer Senke zwischen alten Bäumen
gelegene Gotteshaus war und ist das Ziel von Wallfahrten aus der ganzen Umgebung.
Am Ostermontag zieht von der Kirche in Groß-Peterwitz über die Felder zu ihm die
weit über die Ortsgrenzen als „Osterreiten“ bekannte malerische Prozession hoch
zu Ross. Allein über die bisweilen dramatische Geschichte dieser Dank- und
Bittprozession ließe sich ein eigenes Buch schreiben. Zu Zeiten der kommunistischen
Regierung z. B. hatten die Bauern die staatliche Erlaubnis für ihre Prozession nur
damit ausgehandelt, dass sie ihrerseits mit einigen Reitern den staatlich angeordneten
Umzug am 1. Mai bereicherten.
Im Laufe von vier Jahren lernten sich die Bewohner von Pietrowice Wielkie und
Liederbach zunächst bei wechselseitigen Besuchen kennen. Trotz gelegentlicher
Sprachschwierigkeiten entwickelten sich viele freundschaftliche und sogar
herzliche Beziehungen. Der ehrenamtliche Arbeitskreis „Pietrowice Wielkie“ in
Liederbach bemüht sich diese Beziehungen zu fördern und die oft fehlenden
Kenntnisse über das Land der neuen Partnergemeinde im Rahmen eines regelmäßigen
„Polnischen Stammtisches“ zu vermitteln.
Die entscheidenden Gremien beider Gemeinden machten schließlich durch ihre positiven
Beschlüsse den Weg zu einer offiziellen Partnerschaft frei. Am 9. Juni 2007
bestätigten Wójt Andrzej Wawrzynek und Bürgermeister Gerhard Lehner diese
Partnerschaft mit ihrer Unterschrift. Bei einem Gegenbesuch der Peterwitzer im
Juni 2008 wurde dann die Verschwisterung auch in Liederbach offiziell besiegelt.
Fotos: © Pietrowice Wielkie, Text: © FEP
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